Mieterforum II/2024 9 ::: Verbraucher verwendeten Indizes müssen die Unter- nehmen im Internet veröffentlichen. Diese Preisgleitklauseln führten in den letzten Jahren zu teilweise exorbitanten Preissteigerungen. In DortmundWesterfilde erhöhte beispielsweise EON die Preise für Wärme auf das Vierfache von knapp 5,6 Cent/kWh (2020) auf 21,12 Cent/kWh (2022). EON bezog sich in seinen Preisanpassungsklauseln unter anderem auf die Börsenpreise für Gas. Aufgrund der im letzten Quartal des Jahres 2021 stark angestiegenen Börsen- preise für Gas kam es zu einer entspre- chenden Anpassung der Fernwärmepreise. Es ist jedoch zweifelhaft, ob die Produk- tionskosten für die Wärme tatsächlich in dieser Form gestiegen waren. Zudem stellt sich andernorts die Frage nach der Angemessenheit, ob Produk- tionskosten derart durchgereicht werden können. Denn in jenen Netzen, wo die verkaufte Wärme aus industrieller Ab- wärme entsteht, ist quasi ja schon einmal für den Industrieprozess bezahlt worden. Dann wäre der erzielbare Preis für die Abwärme eher an lokal vergleichbaren und erzielbaren Wärmepreisen zu orien- tieren. Das Bundeskartellamt prüfte daher auch die Preisgleitklauseln verschiedener Anbieter, bei denen der Verdacht bestand, dass sich vorwiegend an den hohen Preisentwicklungen für Gas orientiert wurde, obwohl auch deutlich günstigere Energiequellen verwendet wurden. Die Steigerungen der Produktionskosten sein dann deutlich überzogen. Wie kann ich mich wehren? Im Falle von EON hat der Bundesverband der Verbraucherzentralen eine Sammel- klage eingereicht. Dort ist man über- zeugt, dass die Preisanpassungsklauseln nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprechen. In Westerfilde und Kirchlinde sind die Mieter:innen selbst Kunden von EON und können sich der Klage kostenlos anschließen. Hat die Klage Erfolg, werden die Preise auf den Wert von 2020 zurück- gesetzt. Ist hingegen ein Wohnungsun- ternehmen der Vertragspartner des Ener- gieversorgers, können Mieter:innen nicht selbst dagegen vorgehen. Sie müssen dies von der Vermieterin bzw. dem Vermieter verlangen. Alternativ können Mieter:in- nen auch die Kartellbehörden einschalten, die sowieso regelmäßig die Fernwärme- anbieter überprüfen. Rückwirkende Preiserhöhung Ebenfalls problematisch: Eine Übersicht der Gaspreise eines Jahres wird erst im Folge- jahr erstellt. Dies bedeutet, dass die Fern- wärmepreise auch erst im Folgejahr berechnet werden. So erfuhren die Mieter:innen im Grollmannsweg in Westerilde erst im September 2022 von den großen Preis- sprüngen im Jahr 2021. Diese waren zwar ab Frühjahr 2022 auf der Internetseite von EON veröffentlicht, jedoch ist davon aus- zugehen, dass nur wenige Mieter:innen dort nachgesehen haben. Um einen Preisschock zu verhindern, sollten Preisanpassungen im Vorfeld mit- geteilt werden, wie bei anderen Verträgen ebenfalls üblich. Nur so ist eine Anpas- sung des Heizverhaltens oder eine zeit- nahe Überprüfung der Preise möglich. Unklare Abrechnungsfristen EON ließ die betroffenen Mieter:innen in Westerfilde und Kirchlinde bis zum Mai dieses Jahres auch auf ihre Wärmeabrech- nung für 2022 warten. Bei einer „norma- len“ Heizkostenabrechnung gilt eigentlich eine Ausschlussfrist. Alle Abrechnungen über das Jahr 2022, die in 2024 einge- hen, sind verspätet. Happige Nachfor- derungen müssten nicht gezahlt werden. Für Fernwärme gilt diese starre Regelung nicht. Die Unternehmen sollen zwar min- destens einmal jährlich abrechnen, weite- re Vorgaben gibt es jedoch nicht. Dies ist insbesondere unverständlich, da die Un- ternehmen alle notwendigen Informatio- nen zur Verfügung haben. Für die Fernwär- me sollte daher ebenfalls die Abrechnungs- frist nach Heizkostenverordnung gelten. Transparenz bei Neuanschluss Mit dem Ausbau der Fernwärme werden in den nächsten Jahren wieder mehr Haushalte erstmalig angeschlossen. Für Mieter:innen bedeutet dies in der Regel Modernisierungen – mit möglichen Miet- steigerungen. Die genauen Spielregeln für Heizungsmodernisierungen hatten wir im Mieterforum IV/2023 vorgestellt. Notwendig ist, dass die Regelungen für die Fernwärmepreise von Anfang an transparent mitgeteilt werden. Die mög- liche Kostenersparnis im Vergleich zu bei- spielsweise Gasetagenheizungen hängt maßgeblich von der korrekten Bemessung und Einstellung der Anlage ab. Für die Übergabestationen der Fernwärme in das Hausnetz muss eine passende Anschluss- leistung gefunden werden. Ist diese zu hoch, wird unnötig viel Energie geliefert. Ist sie zu niedrig, droht bei Kälte eine Unterversorgung. Auch diese Einstellun- gen sollten durch die Mieter:innen früh- zeitig überprüfbar sein, bestenfalls mit der Ankündigung der Maßnahme. Unbe- dingt sollte die vertragliche Anschlussleis- tung nach unten korrigiert werden, nach- dem eine energetische Modernisierung an der Gebäudehülle (Dämmung) zur Senk- ung des Heizwärmebedarfs und der Ener- giekosten durchgeführt wurde. Fazit Die Fernwärmeversorgung bietet viele Vorteile für das Klima und die Umwelt. Um diese Potenziale voll auszuschöpfen und gleichzeitig die Interessen von Mieter:innen zu schützen, ist jedoch eine umfassende Reform der rechtlichen Rah- menbedingungen erforderlich. Die Stärk- ung des Verbraucherschutzes und die Einführung fairer und transparenter Preis- mechanismen würden dazu beitragen, die Vorteile der Fernwärme effektiv zu nutzen und gleichzeitig die Akzeptanz in der Bevölkerung zu steigern. (mar)
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