Mieterverein Dortmund - Nr. 76

Schwerpunkt Fernwärme: Gamechanger oder heiße Luft? Mieterverein Dortmund und Umgebung e.V. www.mieterverein-dortmund.de Titelbild: pixabay 20. JG. Nr. 76, II/2024 Mietrecht: Vermieter pleite - Was tun? Diskriminierung: Wohnungslose finden keine Wohnung Mitglieder werben Mitglieder! 20 Euro Prämie je geworbenes Mitglied!

Mieterforum II/2024 2 Intern Editorial ..................................... S. 2 Aktuell Mitglieder werben Mitglieder ...... S. 3 Stadt im Wandel Dortmunder Energienutzungsplan ................... S. 4 Wohnungspolitik Wärmewende .............................. S. 6 Verbraucher Preisgleitklausel Fernwärme ......... S. 8 Mietrecht Neues vom BGH.......................... S. 10 Mietrecht Cannabis in Mietwohnungen ..... S. 11 Wohnungspolitik Diskriminierung von Wohnungslosen ................... S. 12 Mietrecht Vermieter Pleite - Was nun?......... S. 14 ::: Inhalt / Editorial Herausgeber und Redaktionsanschrift: Mieterverein Dortmund und Umgebung e.V. Kampstr. 4, 44137 Dortmund Tel. 0231/ 55 76 56 0 info@mieterverein-dortmund.de Mitglied im Deutschen Mieterbund NRW e.V. Redaktion: Martin Grebe (mag), Mirko Kussin (mik), Alexandra Gehrhardt (age), Markus Roeser (mar) (V.i.S.d.P.), Dr. Tobias Scholz (ts), Martin Tubbesing (Layout) Anzeigen: Mieterverein Dortmund und Umgebung e.V. Tel. 0231/ 55 76 56 36 Druck: L.N. Schaffrath GmbH & Co. KG DruckMedien, Marktweg 42-50, 47608 Geldern Auflage: 5.000 Erscheint vierteljährlich im Eigenverlag. Bezugspreis ist im Mitgliedsbeitrag enthalten. Vorweg Das sogenannte Heizungsgesetz hat im letzten Jahr für viel Furore gesorgt. Gas- und Ölheizungen sollen in den nächsten Jahren Stück für Stück durch Erneuerbare Energien ersetzt werden. Viel diskutiert wurde über die Wärmepumpe. Aber gerade in den Großstädten spielen auch Fern- und Nahwärmenetze eine große Rolle. Die Idee ist einfach und fast zu schön, um wahr zu sein: Entstehende Abwärme aus Industrieprozessen wird genutzt, um Wohnungen zu beheizen. Das Heizungsgesetz verpflichtet daher Kommunen, in den nächsten Jahren eine Wärmeplanung voranzutreiben und zu beschließen. Sie sollen festlegen, wo zukünftig ein Ausbau von Fernwärme oder anderer Technologien angedacht ist. Große Umrüstungen bestehender Heizungen wären für Vermieter:innen dann besser planbar. Im aktuellen Heft wollen wir Ihnen eine Übersicht über den Ausbau der Fernwärme und seine Herausforderungen geben. So gut die Fernwärme bei der Einsparung von Energie sein kann, so schlecht ist aktuell auch mancherorts ihr Ruf. Einige Mieter:innen berichteten Kostenfreie Verbraucherrechtsberatung für Mitglieder des Mietervereins Dortmund :: : 44135 Dortmund, Reinoldistraße 7-9 Tel. 0231 / 720 91 701 :: : 44532 Lünen, Kirchstraße 12 Tel. 02306 / 301 3801 :: : 44575 Castrop-Rauxel, Mühlengasse 4 Tel. 02305 / 6987 901 :: : Eine vorherige Terminvereinbarung ist erforderlich! :: : Ausgenommen: fachspezifische Beratung, die über die allgemeine Beratung hinausgehen Impressum Foto: Martina Hengesbach MVDO in den Sozialen Medien Facebook: @mieterverein Instagram: mietervereindortmund X: @mieterverein_do Unser Newsletter Einmal im Monat können Sie unseren E-Mail-Newsletter erhalten. Neben tagesaktuellen Infos finden Sie dort auch zahlreiche weiterführende Links zu spannenden Wohnthemen und eine umfangreiche Presseschau. Anmeldung unter www.mieterverein- dortmund.de/ssl_newsletter.html Unsere Online-Angebote von Horror-Abrechnungen mit mehreren tausend Euro. Eine Reform ist hier dringend nötig. Ebenfallss dringend wird eine weitere Begrenzung der Mieten in unserer Re- gion benötigt. Die Mietpreisbremse wurde zwar von der Bundesregierung verlängert, in unserem Vereinsgebiet gilt sie allerdings weiterhin nicht. Eine Neuauflage der Mieterschutzverordnung, die auch Mieterhöhungen begrenzen würde, steht weiter aus. Foto: Johannes Dörrenbächer / fiftyfifty ab S. 12: Wie Wohnungslose diskriminiert werden

Mieterforum II/2024 3 ::: Aktuell Je mehr Mitglieder wir sind, desto besser können wir auch kollektiv vertreten und eine starke Stimme für den Mieterschutz sein. Sprechen Sie daher mit Ihren Nach- bar:innen, Freunden und Verwandten über die Vorteile einer Mitgliedschaft in unserem Verein. Gemeinsam können wir viel erreichen und unsere Gemeinschaft weiter stärken. Ihre aktive Mithilfe wird belohnt: Für jedes geworbene Neumitglied, erhalten Sie eine Prämie von 20 €. Der Betrag erfolgt als Gutschrift auf Ihrem Beitragskonto für die nächste Zahlung Ihrer Beiträge. Dies er- folgt nach dem Beitritt des geworbenen Mitgliedes und Zahlung der Beiträge für das laufende Jahr. Damit wir die Prämie korrekt zuordnen können, sollten die neuen Vereinsmitglieder Ihre Mitgliedsnummer im Mitgliedsantrag angeben. Diesen finden Sie auf der Rückseite des Mieterforums, auf unserer Internetseite www.mvdo.de oder erhalten ihn in unserer Geschäftsstelle. Neue Öffnungszeiten Neue Rechtsberaterin Beteiligung im besten Sinne Vonovia & LEG – Alle Jahre wieder Die Geschäftsstelle ist ab sofort zu folgenden Zeiten geöffnet und erreichbar: Montag - Donnerstag 8:00 - 12:00 Uhr und 13:00 - 17:00 Uhr Freitag 8:00 - 14:00 Uhr. Seit Mai verstärkt Mina Tofik das Team der Rechtsberatung im Mieterverein. Die Wittenerin hat zunächst Neumitglieder beraten und wird nun nach und nach einen festen Stamm an Mitgliedern für die Beratung übernehmen. Im April machten sich einige Mitglieder der Initiative „Genossenschaft von unten Dortmund“ auf den Weg nach Bielefeld, um sich über die freiwillige Beteiligung bei der Freien Scholle e.G. zu informieren. Die Genossenschaft bietet neben den gesetzlich vorgeschriebenen Beteiligungen über Vertreter:innen, Aufsichtsrat und Vorstand, eine ausgeklügeltes freiwilliges Beteiligungskonzept. So soll eine aktive Teilnahme der Mitglieder bei der Entwicklung der Siedlungsbestände sichergestellt werden. Die zahlreichen Eindrücke der Exkursion werden in die Dortmunder Diskussion aufgenommen. Im Mai führten Deutschlands und NRWs größte Vermieterinnen Vonovia und LEG traditionell ihre Aktionärsversammlungen durch. Beide Vorstände konnten sich er- neut mit Dividendenerhöhungen durch- setzen. Anträge von kritischen Aktionär:- innen auf Aussetzen der Dividenden fan- den erwartungsgemäß keine Mehrheit. Dabei wird das Geld aktuell dringend benötig. Wie schon im vergangenen Jahr, sind beide Konzerne auf liquide Mittel angewiesen. Verkäufe und das Aussetzen von Bau- und Modernisierungsmaß- nahmen sollen dabei helfen. Die Zeche zahlen jedoch erneut die Mieter:innen. Als Vereinsmitglied sind Sie Teil einer starken Gemeinschaft von über 15.000 Menschen. Gemeinsam können wir als Mieterverein eine gute Mietrechtsberatung sicherstellen und die Interessen von Mieter:innen in der Öffentlichkeit und Politik vertreten. Aktion bis Ende September 2024 Mitglieder werben Mitglieder: Gemeinsam sind wir stark! 20 Euro Prämie je geworbenes Mitglied! Foto: Martina Hengesbach

Mieterforum II/2024 4 ::: Stadt im Wandel Für die Umsetzung der kommunalen Wärmeplanung gibt das Wärmeplanungs- gesetz klare Zeitvorgaben, die sich nach der Bevölkerungszahl richten. Großstädte, also Kommunen mit mehr als 100.000 Einwohner:innen, müssen diese Planung bis zum 30. Juni 2026 abgeschlossen haben. Kleinere Städte und Gemeinden haben dafür zwei Jahre mehr Zeit und müssen ihre Planung zum 30. Juni 2028 vorlegen. Ambitioniert Während die gesetzlich geforderte Wärme- planung hauptsächlich darauf abzielt, bis 2026 Gebiete festzuschreiben, die über vorhandene und neu zu erstellende Netze mit Fernwärme oder grünem Wasserstoff versorgt werden können, umfasst der Dortmunder Energienutzungsplan ein brei- teres Spektrum an Maßnahmen. Neben der Umstellung auf erneuerbare Energien und der Verbesserung der Energieeffizienz in Gebäuden, beinhaltet der Plan auch die Förderung von Energieeinsparungen durch Verhaltensänderungen und technische Innovationen, zeigt Sanierungskonzepte für ganze Quartiere und betrachtet dabei auch Aspekte wie die Stadtentwicklung, den Stromsektor und Wärmespeicherungs- potenziale. Das Ziel: Bis zum Jahr 2040 die gesamte Wärmeversorgung der Stadt komplett auf erneuerbare Energien umzustellen. Wasserstoff bleibt Zukunftsmusik Auch wenn im Gebäudeenergiegesetz oft vom grünen Wasserstoff als Alternative zum Erdgas die Rede ist, ist man im Dortmunder Umweltamt bezüglich einer flächendeckenden Versorgung realistisch. „Eine vollständige Umstellung des Gas- netzes auf grüne Gase oder Wasserstoff ist in naher Zukunft jedoch äußerst un- wahrscheinlich“, heißt es auf der InfoWebseite des Amtes. Ausbaupotenziale sieht man am ehesten im Bereich der industriellen Nutzung von Wasserstoff als Prozessgas. Fernwärme wird ausgebaut Bei der Fernwärme sieht es deutlich besser aus. Aktuell werden knapp10 % des Dortmunder Wärmemarktes durch Fernwärme von DEW21 bedient – vor allem große Gewerbekomplexe in der Dortmunder Innenstadt. Produziert wird ein Großteil der Wärme davon in den Gasrußwerken im Dortmunder Hafen. Wohngebäude werden in Teilen von Innen und Nordstadt sowie in Kreuz- und Unionviertel mit Fernwärme versorgt. Aktuell arbeitet die DEW21 an weiteren Versorgungsnetzen für das Tremoniavier- tel und den Althoffblock. Ein Allheilmittel ist die Fernwärme jedoch nicht. Das zeigte auch eine Infoveran- staltung des Umweltamtes Mitte Mai in der VHS. Zwar bietet sich die dichte Wohnbebauung in vielen Bereichen der Stadt theoretisch für einen Anschluss an ein Fernwärmenetz an, praktisch stoßen die Planungen aber auf Grenzen: Die vorhandenen unterirdischen Leitungstrassen sind vielerorts in Gänze belegt. Und bei neu zu erstellenden Leitungen können notwendigen Werte für GrabenNach zähem Ringen, breiter öffentlicher Diskussion und vielen kommunikativen Pannen, beschloss die Ampelkoalition Ende 2023 das Gebäudeenergiegesetz. Ein wichtiger Bestandteil: die kommunale Wärmeplanung, bzw. das Wärmeplanungs- gesetz. Darüber werden Städte und Gemeinden verpflichtet, sogenannte Wärmepläne zu entwickeln. Sie sollen zeigen, wie der Wärmebedarf zukünftig klimaneutral gedeckt werden soll und wo beispielsweise neue Fernwärmeversorgungen geplant sind. Dortmunder Energienutzungsplan Mehr als kommunale Wärmeplanung Foto: pixabay Hätte früher Fernwärme liefern können - die ehemalige Hochofenanlage Phoenix West in Hörde.

Mieterforum II/2024 5 profile, also Tiefe, Breite, Abstände usw. aufgrund der Bebauung und anderen vorhanden Leitungen kaum eingehalten werden. Es ist vielfach schlicht kein Platz vorhanden. Darüber hinaus führt allein schon der geplante Ausbau des Wärmenetzes zu einer drastischen Erhöhung der Baustellendichte – mit erwartbaren Folgen für den Individualverkehr im Stadtgebiet. Fahrplan bis 2026 Die Dortmunder Planung folgt einem strikten Zeitplan, der sicherstellen soll, dass die Stadt die gesetzlich festgelegten Ziele erreicht. Bis zum Ende des Sommers soll der erarbeitete Energienutzungsplan stehen, der anschließend bis Ende des Jahres in die kommunalen Wärmeplanung überführt werden soll. Spätestens im Sommer 2025 will der Rat der Stadt ::: Stadt im Wandel die Wärmeplanung absegnen, damit die dort aufgeführten Maßnahmen bis 2026 umgesetzt werden können. Folgen für Mieter:innen Der Dortmunder Energienutzungsplan ist grundsätzlich ein sinnvoller Schritt in Richtung einer nachhaltigeren und klima- freundlicheren Stadt. Die Reduzierung des Energieverbrauchs und der CO2-Emissio- nen sind wichtige Ziele, die sowohl dem globalen Klimaschutz als auch der lokalen Luftqualität zugutekommen. Allerdings sind in den kommenden Jahren auch erhebliche Investitionen in den Umbau der Wärmeinfrastruktur erforderlich. Diese werden sich häufig in Form von Moder- nisierungsumlagen auf die Miete auswir- ken. Im Mieterforum 74 haben wir über die Folgen für Mieter:innen im Falle eines Heizungsaustausches informiert. Sozialverträgliche Umsetzung gefordert Der Mieterverein begrüßt den konsequen- ten Kurs zu mehr Klimaschutz grundsätz- lich. Damit die Energiewende aber nicht zu einer sozialen Belastung wird, ist der Ge- setzgeber gefragt (siehe Seite 8 und 9). „Wenn ein Wohnungsunternehmen die Kosten für den Fernwärmeanschluss als Modernisierungsumlage nach dem Ge- bäudeenergiegesetz ausweist, gibt es eine Härtefallregelung“, erklärt der wohnungs- politische Sprecher Markus Roeser. „Die weitaus größere Unbekannte ist für viele Mieter:innen die Preisgestaltung des Fern- wärmeversorgers vor Ort. Hier muss die Rechtslage dringend angepasst und der Schutz von Verbraucher:innen gestärkt werden. Den teilweise exorbitanten Preis- steigerungen und dem Ausnutzen durch die Monopolstellung einzelner Anbieter muss ein Riegel vorgeschoben werden.“ (mik)

Mieterforum II/2024 6 ::: Wohnungspolitik Bis 2035 will Dortmund klimaneutral heizen. Eine große Weiche dafür soll mit der Fernwärme gestellt werden. Fünf Jahre lang hat allein die DEW21 dafür unter vielen Straßen Dutzende Kilometer Rohre verlegt und ihr altes Fernwärmenetz modernisiert. Zwischen 45.000 und 55.000 Tonnen CO2 sollen so pro Jahr eingespart werden. Wärmewende Eine riesige Aufgabe Foto: age Schwere Arbeiten an neuen Leitungen. DEW21 will bald 3.000 Wohnungen im Unionviertel und im Althoffblock ans Fernwärmenetz anschließen.

Mieterforum II/2024 7 ::: Wohnungspolitik Was ist Fernwärme? Der Fernwärme wird im Zuge der Wärmewende eine hohe Bedeutung zugeschrieben. Darunter versteht man Wärme, die nicht lokal im selben Gebäude, also in einem Heizkessel im Keller erzeugt wird, sondern von außen über ein Versorgungsnetz zugeführt wird. Bisher wird Fernwärme vor allem aus der Abwärme von Industrieprozessen, wo sie ohnehin anfällt, gewonnen, als Abwärme abgeleitet und in ein Netz eingespeist, über das dann die angeschlossenen Gebäude versorgt wer- den. Zunehmend sollen sie aber auch aus erneuerbaren Quellen wie Solar- oder Geothermie gewonnen werden. Fernwärme ist besonders für Ballungsge- biete wie Städte geeignet, rund 14 Pro- zent der Haushalte werden per Fernwär- me beheizt. Neben der höheren Energie- effizienz gilt auch als Vorteil, dass durch den Wegfall von Heizkesseln und -anla- gen auch Platzverbrauch und Wartungs- kosten sinken. Zudem gilt Fernwärme zu fossilen Wärmeenergien als günstiger. Sie hat aber auch einen großen Nachteil: Denn Wettbewerb unter den Betreibern gibt es nicht. Der Netzhersteller ist Betrei- ber und Monopolist. Preise kann er selbst gestalten, ohne dass Kund:innen die Möglichkeit haben, zu wechseln. Die Preisgestaltung wird zudem als oft in- transparent und ungewiss kritisiert. Rechtlich ist die Stadt Dortmund verpflichtet, bis 2026 eine kommunale Wärmeplanung vorzulegen. Zugleich regelt das Gebäudeenergiegesetz, welche energetischen Vorgaben Gebäude erfüllen müssen. Für Gebäude, die noch mit konventionellen Energien beheizt werden, heißt es irgendwann: Die alte Anlage muss raus. Der Gesetzgeber hat hierfür im Mietrecht eine neue Variante für Mieterhöhungen bei Modernisierungen geschaffen (§ 559 e BGB). Diese umfasst eine höhere Modernisierungsumlage von 10 Prozent der aufgewendeten Kosten im Jahr, statt ansonsten 8 Prozent. Auch können Instandhaltungskosten für die Heizung pauschal mit 15 Prozent in Abzug gebracht werden. Voraussetzung ist jedoch, dass nach den Vorgaben des Gebäudeenergiegesetztes modernisiert wird und entsprechende Fördermittel in Abzug gebracht werden. Durch den Einbau der neuen Heizungsanlage darf sich die monatliche Miete um maximal 0,50 Euro/m² innerhalb von sechs Jahren erhöhen. Vermietern ist jedoch auch freigestellt die klassische Modernisierungsumlage zu nutzen. Mieterforum berichtet dazu in Ausgabe Nr. 74 (IV/2023). Wie sieht es in Dortmund aus? Neu ist Fernwärme auch in Dortmund nicht. Schon seit 70 Jahren sind über ein Fernwärmenetz einige hundert Dortmun- der Haushalte in der Innenstadt mittels Dampf aus dem Kraftwerk in der Weißen- burger Straße versorgt worden, rund zehn Prozent aller Dortmunder Haushalte. Das alte Netz war aber in die Jahre gekom- men. Darum hat die DEW21 seit 2018 das gesamte Netz erneuert und ausge- baut, rund 20 Kilometer Leitungen ver- legt. Dafür hat die Stadttochter laut verschiedener Medienberichte rund 100 Millionen Euro in die Hand genommen. Jetzt wird die Wärme nicht mehr über Dampf, sondern über etwa 100 Grad heißes Wasser transportiert. Das kommt aus den Deutschen Gasrußwerken, die in Lindenhorst Produkte für Druckfarben und die Reifenindustrie herstellen. Die Wärme, die bei den Produktionsprozessen entsteht, wird als Abwärme ins Netz ein- gespeist und in die Haushalte transpor- tiert. 2018 haben die Arbeiten am Hafen begonnen und zogen sich über die City in die östliche Innenstadt. Im November verkündete die DEW den Abschluss des Umbaus. Zurzeit laufen erweiternde Ar- beiten rund um den Althoffblock und am Tremoniapark sowie in der Bülowstraße in der nördlichen Innenstadt. Auch eine Ver- längerung nach Hörde ist in der Prüfung. DEW ist aber nicht der einzige Anbieter. Auch EON, Uniper und die Steag-Tochter Iquony betreiben Fernwärmenetze im Ruhrgebiet und in Teilen auch in Dort- mund. EON versorgt einige hundert Haus- halte in Kirchlinde, Westerfilde, Schüren und Am Mühlenberg mit Fernwärme. Gegen den Konzern läuft gerade eine Sammelklage der Verbraucherzentrale wegen, so der Vorwurf, unberechtigter Preiserhöhungen, über die EON im Vorfeld nicht informiert hatte. Plan für den Netzausbau Für die andere Seite der Anschlüsse, die zu versorgenden Gebäude und Haushal- te, hat sich die Wohnungsgenossenschaft Sparbau zum lokalen Partner der DEW21 erklärt und will bald 3.000 Wohnungen im Unionviertel und im Althoffblock ans Fernwärmenetz anschließen. Schon im kommenden Jahr sollen die ersten Wohn- häuser andocken, bis 2028 dann weitere 1.800 Anschlüsse. Ganz geräuschlos passiert das nicht: Im Althoffblock sorgen sich Bewohner:innen um die zukünftige Preisentwicklung der von DEW21 gelieferten Fernwärme, und ärgern sich, vom Genossenschaftsvorstand zu wenig informiert und beteiligt zu werden. Wie genau das Fernwärmenetz in Dort- mund einmal aussehen wird, wird erst 2026 feststehen – dann muss die Stadt Dortmund ihre Kommunale Wärmepla- nung vorlegen, in der sie festhält, wie welche Teile der Stadt künftig energetisch versorgt werden soll. (age) Der Netzhersteller ist Betreiber und Monopolist. Preise kann er selbst gestalten, ohne dass Kund:innen die Möglichkeit haben, zu wechseln.

Mieterforum II/2024 8 ::: Verbraucher Anders als bei Gas- oder Stromnetzen ist ein Fernwärmenetz nicht liberalisiert. Das bedeutet, dass nur ein Versorger die Wär- me in das Netz einspeisen und ins Haus liefern kann. Ein Wettbewerb findet nicht statt, der Wechsel zu einem anderen An- bieter ist nicht möglich. Ein Wechsel des Heizsystems wäre hingegen möglich. Allerdings würde dies zu unverhältnis- mäßig hohen Kosten führen. Aufgrund dieses Monopols gelten bei der Fernwärme besondere Spielregeln. Die Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Fernwärme (AVBFernwärmeV), so der sperrig kling- ende Name, regelt insbesondere zu wel- chen Preisen die Wärme verkauft und wie die Kosten abgerechnet werden. Die Bun- desregierung plant eine Überarbeitung dieser Verordnung. Aus Sicht von Mieter- und Verbraucherschützer:innen ist dies dringend notwendig. Preisgleitklauseln Ein zentrales Problem im Bereich der Fernwärme sind intransparente und oft als unfair empfundene Preisstrukturen. Die Preise variieren, je nach Region und Anbieter und sind für die Verbraucher:in- nen häufig schwer nachzuvollziehen. Anders als bei Gasverträgen werden Fernwärmepreise nicht bei Vertragsende zwischen Versorgungsunternehmen und Verbraucher:innen neu ausgehandelt. Die Monopolsituation sorgt hier für ungleiche Verhandlungspositionen. Allerdings dürfen Fernwärmeunternehmen ihre Preise im laufenden Vertragsverhältnis anpassen. Hierfür sind sogenannte Preis- anpassungsklauseln in den Verträgen vorgesehen. Diese sollen die Entwicklun- gen für Kosten der Erzeugung und Bereit- stellung der Fernwärme sowie die allge- meinen Verhältnisse auf dem Wärme- markt abbilden. Die Unternehmen kön- nen hierfür beispielsweise auf bundes- weite Preisindizes für Gas oder Wärme zurückgreifen, aber auch auf Lohnkosten- entwicklungen. Diese Formeln und die Fernwärme Gesetzgeber muss Verbraucherschutz stärken Fernwärme bietet viele Vorteile zur Umsetzung einer klimagerechten, kostengünstigen Wärmewende. Trotzdem stehen Mieter:innen vor rechtlichen und finanziellen Herausforderungen, die eine dringende Überarbeitung der gesetzlichen Rahmenbedingungen erfordern. Das Mieterforum stellt einige Schwierigkeiten vor. Foto: pixabay

Mieterforum II/2024 9 ::: Verbraucher verwendeten Indizes müssen die Unter- nehmen im Internet veröffentlichen. Diese Preisgleitklauseln führten in den letzten Jahren zu teilweise exorbitanten Preissteigerungen. In DortmundWesterfilde erhöhte beispielsweise EON die Preise für Wärme auf das Vierfache von knapp 5,6 Cent/kWh (2020) auf 21,12 Cent/kWh (2022). EON bezog sich in seinen Preisanpassungsklauseln unter anderem auf die Börsenpreise für Gas. Aufgrund der im letzten Quartal des Jahres 2021 stark angestiegenen Börsen- preise für Gas kam es zu einer entspre- chenden Anpassung der Fernwärmepreise. Es ist jedoch zweifelhaft, ob die Produk- tionskosten für die Wärme tatsächlich in dieser Form gestiegen waren. Zudem stellt sich andernorts die Frage nach der Angemessenheit, ob Produk- tionskosten derart durchgereicht werden können. Denn in jenen Netzen, wo die verkaufte Wärme aus industrieller Ab- wärme entsteht, ist quasi ja schon einmal für den Industrieprozess bezahlt worden. Dann wäre der erzielbare Preis für die Abwärme eher an lokal vergleichbaren und erzielbaren Wärmepreisen zu orien- tieren. Das Bundeskartellamt prüfte daher auch die Preisgleitklauseln verschiedener Anbieter, bei denen der Verdacht bestand, dass sich vorwiegend an den hohen Preisentwicklungen für Gas orientiert wurde, obwohl auch deutlich günstigere Energiequellen verwendet wurden. Die Steigerungen der Produktionskosten sein dann deutlich überzogen. Wie kann ich mich wehren? Im Falle von EON hat der Bundesverband der Verbraucherzentralen eine Sammel- klage eingereicht. Dort ist man über- zeugt, dass die Preisanpassungsklauseln nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprechen. In Westerfilde und Kirchlinde sind die Mieter:innen selbst Kunden von EON und können sich der Klage kostenlos anschließen. Hat die Klage Erfolg, werden die Preise auf den Wert von 2020 zurück- gesetzt. Ist hingegen ein Wohnungsun- ternehmen der Vertragspartner des Ener- gieversorgers, können Mieter:innen nicht selbst dagegen vorgehen. Sie müssen dies von der Vermieterin bzw. dem Vermieter verlangen. Alternativ können Mieter:in- nen auch die Kartellbehörden einschalten, die sowieso regelmäßig die Fernwärme- anbieter überprüfen. Rückwirkende Preiserhöhung Ebenfalls problematisch: Eine Übersicht der Gaspreise eines Jahres wird erst im Folge- jahr erstellt. Dies bedeutet, dass die Fern- wärmepreise auch erst im Folgejahr berechnet werden. So erfuhren die Mieter:innen im Grollmannsweg in Westerilde erst im September 2022 von den großen Preis- sprüngen im Jahr 2021. Diese waren zwar ab Frühjahr 2022 auf der Internetseite von EON veröffentlicht, jedoch ist davon aus- zugehen, dass nur wenige Mieter:innen dort nachgesehen haben. Um einen Preisschock zu verhindern, sollten Preisanpassungen im Vorfeld mit- geteilt werden, wie bei anderen Verträgen ebenfalls üblich. Nur so ist eine Anpas- sung des Heizverhaltens oder eine zeit- nahe Überprüfung der Preise möglich. Unklare Abrechnungsfristen EON ließ die betroffenen Mieter:innen in Westerfilde und Kirchlinde bis zum Mai dieses Jahres auch auf ihre Wärmeabrech- nung für 2022 warten. Bei einer „norma- len“ Heizkostenabrechnung gilt eigentlich eine Ausschlussfrist. Alle Abrechnungen über das Jahr 2022, die in 2024 einge- hen, sind verspätet. Happige Nachfor- derungen müssten nicht gezahlt werden. Für Fernwärme gilt diese starre Regelung nicht. Die Unternehmen sollen zwar min- destens einmal jährlich abrechnen, weite- re Vorgaben gibt es jedoch nicht. Dies ist insbesondere unverständlich, da die Un- ternehmen alle notwendigen Informatio- nen zur Verfügung haben. Für die Fernwär- me sollte daher ebenfalls die Abrechnungs- frist nach Heizkostenverordnung gelten. Transparenz bei Neuanschluss Mit dem Ausbau der Fernwärme werden in den nächsten Jahren wieder mehr Haushalte erstmalig angeschlossen. Für Mieter:innen bedeutet dies in der Regel Modernisierungen – mit möglichen Miet- steigerungen. Die genauen Spielregeln für Heizungsmodernisierungen hatten wir im Mieterforum IV/2023 vorgestellt. Notwendig ist, dass die Regelungen für die Fernwärmepreise von Anfang an transparent mitgeteilt werden. Die mög- liche Kostenersparnis im Vergleich zu bei- spielsweise Gasetagenheizungen hängt maßgeblich von der korrekten Bemessung und Einstellung der Anlage ab. Für die Übergabestationen der Fernwärme in das Hausnetz muss eine passende Anschluss- leistung gefunden werden. Ist diese zu hoch, wird unnötig viel Energie geliefert. Ist sie zu niedrig, droht bei Kälte eine Unterversorgung. Auch diese Einstellun- gen sollten durch die Mieter:innen früh- zeitig überprüfbar sein, bestenfalls mit der Ankündigung der Maßnahme. Unbe- dingt sollte die vertragliche Anschlussleis- tung nach unten korrigiert werden, nach- dem eine energetische Modernisierung an der Gebäudehülle (Dämmung) zur Senk- ung des Heizwärmebedarfs und der Ener- giekosten durchgeführt wurde. Fazit Die Fernwärmeversorgung bietet viele Vorteile für das Klima und die Umwelt. Um diese Potenziale voll auszuschöpfen und gleichzeitig die Interessen von Mieter:innen zu schützen, ist jedoch eine umfassende Reform der rechtlichen Rah- menbedingungen erforderlich. Die Stärk- ung des Verbraucherschutzes und die Einführung fairer und transparenter Preis- mechanismen würden dazu beitragen, die Vorteile der Fernwärme effektiv zu nutzen und gleichzeitig die Akzeptanz in der Bevölkerung zu steigern. (mar)

Mieterforum II/2024 10 ::: Mietrecht ANWALTSKANZLEI Märkische Straße 46 | 44141 Dortmund | Tel. 0231/5897980 info@anwaeltebuero.de | barrierefreier Zugang Alena Kiekebusch Arbeitsrecht, Miet- und Pachtrecht Verkehrsrecht, Vertragsrecht Hauke Herrmann Fachanwalt für Sozialrecht, ALG I, I I Renten- und Schwerbehindertenrecht Larissa Völker Mietrecht, Vertragsrecht Verkehrsrecht Mietsache nicht so verhalten hätte, dass andere Mieter oder der im Haus lebende Vermieter nicht mehr als unvermeidlich gestört werden. Dafür reichte der Dauer- konflikt zwischen Vermieter und Mieter allein nicht aus. Auch die Erstattung einer Strafanzeige durch den Mieter konnte der BGH nicht als schwerwie- genden Verstoß gegen mietvertragliche Pflichten erkennen. Dies wäre allenfalls in Betracht gekommen, wenn es sich um eine grundlose falsche Strafanzeige gehandelt hätte. Der Vermieter konnte allerdings nicht nachweisen, dass die Vorwürfe gegen ihn grundlos erhoben worden waren. Dementsprechend lag auch durch die Anzeige des Mieters keine Pflichtverletzung vor. Der BGH wies die Räumungsklage ab. Das Fazit Langjährige Streitigkeiten zwischen Ver- mieter und Mieter reichen für eine Kündi- gung allein nicht aus. Es muss immer eine schwerwiegende Vertragsverletzung hinzukommen. Ob es sich dann lohnt, an einem derartigen Mietverhältnis festzuhalten, steht auf einem anderen Blatt. (mag) BGH Urteil vom 29.11.2023 VIII ZR 211/22 nicht zugemutet werden kann. Dabei spielt natürlich auch das Verschulden des Gekündigten eine Rolle. Die Entscheidung Der BGH stellte klar, dass eine Zerrüttung des Mietverhältnisses und eine Störung der Vertrauensgrundlage der Mietparteien allein nicht für eine fristlose Kündigung ausreichen. Nach dem Wortlaut des Gesetzes komme es insbesondere auf das Verschulden des Gekündigten an. Der Mieter hätte also gegen Pflichten aus dem Mietverhältnis verstoßen müssen. Im vorliegenden Fall war zwar das Mietverhältnis zwischen den Parteien zerrüttet, der Vermieter hätte jedoch nachweisen müssen, dass pflichtwidrige Vertragsverstöße des Mieters maßgeblich zu dieser Zerrüttung beigetragen hätten. Diesen Beweise konnte der Vermieter allerdings nicht liefern. Auch eine nachhaltige Störung des Hausfriedens durch den Mieter sah das Gericht allein durch die Streitigkeiten der Parteien noch nicht. Dies hätte vorausgesetzt, dass der Mieter das Gebot zur gegenseitigen Rücknahme verletzt und sich bei der Nutzung der Aktuelle Urteile Neues vom BGH Der Fall Vermieter und Mieter bewohnten jeweils unterschiedliche Wohnungen in einem Mehrfamilienhaus. Über mehrere Jahre lang kam es zu ständigen Auseinander- setzungen zwischen beiden Parteien. Dabei ging es um Verstöße gegen Haus- und Reinigungspflichten, Lärmbelästi- gung und das Abstellen und Befüllen von Mülltonnen sowie Zuparken von Einfahrten. Darüber hinaus erstatteten die Mieter Strafanzeige gegen den Ver- mieter wegen Beleidigung. Dies nahm der Vermieter zum Anlass das Mietver- hältnis fristlos, hilfsweise ordentlich, zu kündigen. Im Rahmen der Räumungsklage prüfte der BGH, ob das Mietverhältnis aus wichtigem Grund oder wegen Störung des Hausfriedens gekündigt werden konnte. Eine fristlose Kündigung darf nur ausgesprochen werden, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, die Fortset- zung des Mietverhältnisses bis zum Ab- lauf einer ordentlichen Kündigungsfrist Zerrüttetes Mietverhältnis kein Grund für fristlose Kündigung

Mieterforum II/2024 11 ::: Mietrecht Diese Neuerungen können zu Konflikten im Miet- und Nachbarschaftsverhältnis führen. Doch einige Grenzen finden sich schon im Gesetz selbst: So muss durch ge- eignete Maßnahmen sichergestellt wer- den, dass andere Personen, insbesondere Kinder und Jugendliche, nicht auf das Can- nabis zugreifen können. Schon deswegen bleibt für einen freien Anbau der Pflanzen an gemeinschaftlich genutzten Orten (z.B. in Gemeinschaftsgärten) kein Raum. Ein ungesicherter Anbau auf Balkon oder Terrasse wird ebenfalls kaum möglich sein, wenn es sich dabei um Bereiche handelt, die von Kindern und Jugendlichen oder Besuchenden betreten werden kön- nen. Gleiches gilt, wenn ein Zugriff von außen möglich ist. Infrage käme dann nur das Anpflanzen in abschließbaren Behältnissen oder Gewächshäusern. Bei einem Anbau innerhalb der Wohnung sind ebenfalls entsprechende Sicherheits- vorkehrungen zu treffen. Daneben bietet auch der Geruch, der ins- besondere beim Rauchen von Cannabis Die Legalisierung von Cannabis ist ein viel diskutiertes Thema, das in der Gesellschaft ambivalente Reaktionen hervorruft. Rechtlich und auch zwischenmenschlich ist ein Perspektivwechsel erforderlich. Erwachsene Personen dürfen seit dem 01. April im privaten Bereich – etwa in den eigenen Wohnräumen – Cannabis konsumieren, bis zu 50 Gramm besitzen und bis zu drei Cannabispflanzen anbauen. Cannabis im Mietrecht Zwischen Gesetz und Genuss entsteht, Konfliktpotenzial. Beschwerden aus der Nachbarschaft oder von Vermie- tenden, allein weil es sich um Cannabis handelt, ohne dass dem Verhalten darü- ber hinaus eine störende Wirkung inne- wohnt, verlieren durch die Legalisierung allerdings ihre Berechtigung. Alles in allem gelten aber die üblichen Regeln: Ab einer gewissen Intensität las- sen sich Beeinträchtigungen der Wohn- qualität anderer Personen oder des Zu- stands der Mietsache auch mit dem neu- en Gesetz nicht rechtfertigen. Grenzen sind vornehmlich dann erreicht, wenn Schäden entstehen, für deren Beseitigung einfache Schönheitsreparaturen nicht mehr ausreichen. Die Folge können Scha- densersatzansprüche der Vermietenden oder gar eine Kündigung sein. Auch im Nachbarschaftsverhältnis lassen sich aufgrund der ähnlichen Symptomatik Parallelen zur Geruchsbelästigung durch Zigarettenrauch ziehen. Das zugrunde gelegt, könnten Betroffene gegebenenfalls eine Mietminderung geltend machen oder, wenn die Fortsetzung des Mietverhältnis- ses unzumutbar ist, auch fristlos kündigen. Um diese Probleme zu umgehen, ist denk- bar, dass Vermietende jetzt eine Vertrags- änderung erbitten oder gar verlangen, über die der Konsum und Anbau von Cannabis in der Wohnung verboten wird. Eine Verpflichtung zur Vertragsanpassung im laufenden Mietverhältnis besteht je- doch nicht. Wird eine solche Abrede nach- träglich getroffen, ist diese aber bindend. Möglich ist auch, dass die Konsum- und Anbauabsicht künftig bereits im Vorfeld, etwa bei Wohnungsbesichtigungen, abgefragt wird. Ist ein Verbot jedoch nicht gerade indivi- duell vereinbart worden – eine Klausel im Formularvertrag greift hier nicht – stellen Besitz, Konsum und Anbau von Cannabis im Rahmen der genannten Grenzen eine vertragsgemäße Nutzung dar, die Vermie- tende nicht zur Kündigung berechtigt. Das gilt auch dann, wenn Mietende im Vorfeld diesbezüglich nicht die Wahrheit gesagt haben. (DMB) Foto: pixabay

Mieterforum II/2024 12 ::: Wohnungspolitik „Zugang verweigert“ heißt die Studie, die an der Hochschule Düsseldorf entstanden ist und im Januar veröffentlicht wurde. Den Anstoß gaben Arnd Liesendahl und Michael Müller, zwei Experten, denn bei- de waren selbst wohnungs- bzw. obdach- los und haben in Unterkünften bzw. auf der Straße gelebt. Bei der Wohnungssuche haben sie Abwertungs- und Ausgrenzungs- erfahrungen gemacht. „Daraus“, sagt Liesendahl, „ist der Wunsch entstanden, das, was wir aus Erfahrung kennen, wis- senschaftlich zu belegen.“ Die wissen- schaftliche Expertise und Durchführung steuerten die Sozialwissenschaftler:innen Prof. Anne von Rießen und Prof. Christoph Gille und ihr Forschungsteam von der Hochschule Düsseldorf bei. Fast 300 Menschen schilderten in einer Onlinebefragung und persönlichen Interviews eigene Erfahrungen, die sie als Wohnungslose bei der Wohnungssuche gemacht haben. Die Studie konzentriert sich auf die Betroffenenseite: Welche Dis- kriminierungserfahrungen machen woh- nungslose Menschen bei der Wohnungs- suche? Welche strukturellen Barrieren gibt es? Wer diskriminiert? Und vor allem: Was braucht es, um Zugänge zum Wohnungs- markt zu erleichtern? Die Ergebnisse waren erwartbar und sind dennoch krass: Drei Viertel der Befragten hat bei der Wohnungssuche Diskriminie- rung erfahren. Von ihnen gaben 72 Pro- zent (also die Hälfte aller Befragten) an, explizit wegen ihrer Wohnungslosigkeit diskriminiert worden zu sein, 71 Prozent, weil sie Geringverdiener sind oder Sozial- leistungen beziehen. Wie das konkret aussieht? „Man schreibt einen Vermieter an und bekommt als Antwort: ‚Menschen, die vom Jobcenter kommen, nehmen wir nicht‘“, schildert Arnd Liesendahl. „Oder man steht mit zehn anderen bei einer Besichtigung und hört: ‚Wer einen anderen Namen hat oder Sozialleistungen bekommt, muss gar nicht bleiben.‘“ So schildert ein Be- fragter seine Erfahrungen bei der Suche: „Mir haben von 200 kontaktierten Wohnungsanzeigen nur um die 10 Leute geantwortet […]. Ich wurde bei zwei Diskriminierung Der letzte in der Schlange Hunderttausende Menschen in Deutschland sind wohnungslos. Während sich das Klischee, niemand müsse wohnungslos sein, hartnäckig hält, hat eine Studie nun wissenschaftlich belegt, was viele im Feld längst wissen: Wohnungslose erleben auf dem Wohnungsmarkt Diskriminierung und strukturelle Ausschlüsse. Initiiert wurde die Untersuchung von zwei Menschen, die Experten sind: Arnd Liesendahl und Michael Müller waren selbst wohnungs- und obdachlos. Fotos: Johannes Dörrenbächer / fiftyfifty

Mieterforum II/2024 13 ::: Wohnungspolitik Besichtigungen wieder weggeschickt, als die Vermieter erfahren haben, dass ich arbeitslos bin.“ Mehr als die Hälfte (60 Prozent) gab außerdem an, auch aus mindestens einem weiteren Grund dis- kriminiert worden zu sein, wegen des Alters, des Aussehens oder aus rassisti- schen Gründen. Diskriminierung und Barrieren Dazu kommen strukturelle Ausschlüsse und Barrieren, die Wohnungslose von vornherein stärker benachteiligen: durch einen Mangel an kostenlosem Internetzu- gang, oft auch in Notunterkünften, den Mangel an unterstützender Begleitung, weil Sozialarbeiter:innen fehlen, Prozesse bei Jobcentern, die so lange dauern, dass die zugesagte Wohnung an jemand an- deren vergeben wird. „Auch die Schufa kann die Wohnungssuche blockieren“, sagt Arnd Liesendahl. Denn die Auskunft, dass ein:e potenzielle Mieter:in keine Schulden hat, wird meist schon in der Anzeige als Voraussetzung genannt. Aber: Um welche Art Schulden es geht, geben die Auskunfteien nicht an. „Ich habe einen Schufa-Eintrag, aber ich habe keine Mietschulden“ berichtet Arnd Liesendahl aus eigener Erfahrung. Damit wird es fast unmöglich, den Zustand Wohnungslosigkeit zu beenden. Die Studie formuliert das so: „Mit geringem Einkommen und dem Stigma Wohnungs- losigkeit versehen, rücken die Menschen auf den letzten Platz der Schlange.“ Was macht das mit den Betroffenen? „Es kann einsam machen, und isoliert. Man wird psychisch krank“, so Liesendahl. Studien belegen seit Langem, dass Armut mit einem schlechteren Gesundheitszu- stand einhergeht. „Wer wenig Geld hat, bekommt die schlechteren Wohnungen“, sagt Liesendahl. Schimmel und ein schlechter Wohnungszustand, Verkehrs- belastung, Lärm oder soziale Spannungen in der Wohngegend sorgen für Stress, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und psychi- sche Erkrankungen. Was zu tun ist? Für die Befragten steht die Schaffung von bezahlbarem Wohn- raum ganz oben: durch die Bekämpfung von Leerstand, die Umnutzung leersteh- ender Büroräume, der Ausbau im Bestand sind nur einige Vorschläge. Für die Befrag- ten sollten auch die Kosten der Unterkunft an das Marktniveau angepasst werden und soziale Dienste und Angebote der Wohnungslosenhilfe ausgebaut werden. Ebenfalls für wichtig befunden werden spezifische Wohnungskontingente für Wohnungslose, die direkte Vermittlung in Wohnraum, und auch die Garantie der Kommunen, die finanzielle Sicherheit für Vermieter:innen zu sichern. Arnd Liesendahl ist noch etwas anderes wichtig: „Wir wollen auch aufklären, dass Betroffene Diskriminierung nicht einfach hinnehmen und wissen, dass es Stellen gibt, an die sie sich wenden können. Je mehr das wissen, umso besser können sie sich zur Wehr setzen.“ Worum es ihm außerdem geht: „Dass sich das Bild des Obdachlosen an sich ändert“, appelliert Arnd Liesendahl. „Es sind eben nicht alle faul, alkohol- und drogensüchtig. Es gibt ganz viele von uns, die keine Wohnung haben, und sich trotzdem engagieren, in Suppenküchen oder Kleiderausgaben.“ Die Studie hat Kreise gezogen, ist sowohl im NRW-Landtag als auch im Bundesar- beitsministerium angekommen. „Ich wünsche mir von der Politik, dass wir gefragt werden, was wir brauchen, und Politiker uns helfen, das umzusetzen. Wir sind ja die Experten.“ (age) Bei einem Aktionstag anlässlich der Veröffentlichung der Studie informierten Betroffene über ihre Diskriminierungserfahrungen.

Mieterforum II/2024 ::: Mietrecht 14 Zwangsverwaltung muss zuerst die ordnungsgemäße Bewirtschaftung des Hauses sicherstellen, Mängel beseitigen und laufende Zahlungen (z.B. für Wasser und Gas) begleichen, erst dann dürfen die Mieten zur Schuldentilgung verwendet werden. Modernisierungen darf die Zwangsverwaltung nicht durchführen. Kaution Zu Beginn eines Mietverhältnisses wird eine Kaution verlangt. Vermieter:innen müssen diese insolvenzfest, getrennt vom eigenen Vermögen, anlegen. So bleibt sie auch im Insolvenzverfahren vor den Gläubigern geschützt. Im Falle einer Zwangsverwaltung müssen Vermieter:innen die Kautionszahlungen entsprechend an die Verwaltung weiterleiten. Mieter:innen haben immer einen An- spruch darauf zu erfahren, wie ihre Kau- tion angelegt wurde, auch wenn keine Insolvenz droht. Im Insolvenzfall können Die gute Nachricht zuerst: Auf den Miet- vertrag hat eine Insolvenz keine Auswirkungen. Er besteht mit allen Rechten und Pflichten fort. Die Miete muss also selbstverständlich weitergezahlt werden. Selbst wenn die Wohnung während des Insolvenzverfahrens verkauft werden sollte, gilt der Grundsatz „Kauf bricht nicht Miete“. Der neue Vermieter bzw. die neue Vermieterin tritt zu den gleichen Bedingungen in die Mietverträge ein. Zwangsverwaltung Bei Zahlungsunfähigkeit kann eine Zwangsverwaltung durch das Amtsge- richt angeordnet werden. Sie soll die Mieteinnahmen für die Gläubiger:innen sichern. Für Mieter:innen wird sie zur zuständigen Ansprechpartnerin – auch bei Angelegenheiten wie Kündigungen, Neben- kostenabrechnungen oder Mängelanzei- gen. Die Miete muss in einem solchen Fall auf das Konto der Zwangsverwaltung überwiesen werden. Der Vorteil: Die sie von Eigentümer:innen oder der Zwangs- verwaltung Auskunft verlangen. Ist die Kaution nicht insolvenzfest angelegt, können sie laufende Mietzahlungen mit der geleisteten Kaution verrechnen. Das einbehaltene Geld müssen Mieter:innen aber für d:ie Vermieter:in zur Verfügung halten, das heißt zur Seite legen. Hierzu wäre eine rechtliche Beratung sinnvoll. Versorgungssperren Im Falle einer Insolvenz ist zu befürch- ten, dass auch bei den Energie- und Wasserversorgungsunternehmen Rück- stände aufgelaufen sind. In diesem Fall könnten die Unternehmen die laufende Versorgung (Allgemeinstrom, Gas/ Wärme, Wasser) einstellen, obwohl die Mieter:innen ihre Vorauszahlungen korrekt bezahlt haben. Droht eine Ver- sorgungssperre, können die laufenden Mietzahlungen an die Versorgungsun- ternehmen abgetreten werden. Auch hier berät der Mieterverein. Mit der D.I.I. und der Omega AG haben in den vergangenen Monaten zwei bundesweit tätige Wohnungsunternehmen Insolvenzantrag gestellt. Auch die Adler-Gruppe stand kurz vor der Insolvenz, die weitere Entwicklung ist ungewiss. Alle drei Unternehmen halten auch in Dortmund Wohnungsbestände. Verunsicherte Mieter:innen meldeten sich daraufhin beim Mieterverein. Das Gebäude an der Siepmannstraße (diese Seite) gehörte der Pluto GmbH, einer 100 prozentigen Tochtergesellschaft der Omega AG aus München. Das Haus an der Einsteinstraße (nächste Seite) war im Bestand der D.I.I. Insolvenzverfahren Vermieter pleite? – Tipps für Mieter:innen Fotos: mik

Mieterforum II/2024 ::: Mietrecht 15 Verkauf & Versteigerung Das eingeleitete Insolvenzverfahren soll sicherstellen, dass die Schulden d:er Ver- mieter:in bestmöglich ausgeglichen wer- den. Reichen die laufenden Mietzahlun- gen und das sonstige Vermögen nicht aus, können die Wohnungen auch im drei Monaten. Hierfür gelten die gesetzlichen Bestimmungen. Eine grundlose Kündigung ist nicht möglich. Hierzu berät der Mieterverein betroffene Mieter:innen. Auswirkungen falscher Wohnungspolitik Der Mieterverein warnt seit Jahren vor den Folgen des Ausverkaufs und der Fi- nanzialisierung des Wohnungsmarktes und befürchtet weitere Insolvenzen: „Die Krise der finanzmarktorientierten Wohnungsunternehmen, ob börsenno- tiert oder Fonds, zeigt, dass das Ge- schäftsmodell gescheitert ist. Wir brau- chen wieder gemeinwohlorientierte und gemeinnützige Unternehmen, die an langfristigen Investitionen und Bestands- erhaltung für eine nachhaltige Stadt- politik interessiert sind und nicht an hohen Renditen“, fordert Markus Roeser, wohnungspolitischer Sprecher des Mietervereins Dortmund. (mar) Wege der Zwangsversteigerung veräußert werden. Auch in diesem Fall bleibt das Mietverhältnis bestehen. Allerdings haben neue Eigentümer:innen bei berechtigtem Interesse, z.B. bei Eigenbedarf, ein Sonderkündigungsrecht von

Mieterforum II/2024 16 Beitrittserklärung zum Mieterverein Online-Beitritt unter www.mvdo.de Versand Mieterforum Ich möchte die Vereinszeitung Mieterforum erhalten Per E-Mail Per Post Mietrechtsschutzversicherung Übernahme aller Prozesskosten bis zu 300.000 Euro, bei einer Eigenbeteiligung von 150,- Euro. Monatsbeitrag: 2,00 Euro Ja, ich möchte über den Mieterverein prozesskostenversichert werden, gemäß dem „Rahmenvertrag zur Mietrechtsschutzversicherung“. SEPA-Lastschriftmandat Ich ermächtige den Mieterverein Dortmund und Umgebung e.V., Zahlungen von meinem Konto mittels Lastschrift einzuziehen. Zugleich weise ich mein Kreditinstitut an, die vom Mieterverein Dortmund und Umgebung e.V. auf mein Konto gezogenen Lastschriften einzulösen. Die Abbuchungen erfolgen: 1/1 jährlich 1/2 jährlich 1/4 jährlich Hinweis: Ich kann innerhalb von acht Wochen, beginnend mit dem Belastungsdatum, die Erstattung des belasteten Betrages verlangen. Es gelten dabei die mit meinem Kreditinstitut vereinbarten Bedingungen. Kontoinhaber/in Name, Vorname IBAN Geldinstitut Rücktrittsrecht Ich erhalte nach Eingang meiner Beitrittserklärung die Satzung des Mietervereins sowie ggf. den „Rahmenvertrag zur Mietrechsschutzversicherung“ zugesandt. Danach kann ich innerhalb von 14 Tagen den Beitritt in den Mieterverein bzw. die Rechtsschutzversicherung widerrufen. Bei Inanspruchnahme der Rechtsberatung erlischt das Rücktrittsrecht. Datum Unterschrift Ihr Kontakt zum Mieterverein Dortmund Unsere Geschäftsstelle: Mieterverein Dortmund, Kampstr. 4, 44137 Dortmund Mo – Do 8.00 – 12.00 und 13.00 – 17.00 Uhr Fr. 8.00 – 14.00 Uhr Tel.: 0231/ 55 76 56 - 0 Fax: 0231/ 55 76 56 - 16 E-Mail: info@mieterverein-dortmund.de Terminvereinbarungen: Tel.: 0231/ 55 76 56 - 0 Fragen zu Mitgliedsbeiträgen: Tel.: 0231/ 55 76 56 - 66 Hotline Allgemeine Mietrechtsfragen: Tel.: 0231/ 55 76 56 - 56 Mo – Fr 11.00 – 12.00 Uhr und Do 09.00 – 11.00 Uhr Telefonische Kurzberatung für laufende Mietrechtsfälle: 0231/ 55 76 56 + Durchwahl Berater/in Durchwahl Sprechzeit Sebastian Belgardt -55 Mo + Mi + Do + Fr 11.00 – 12.00 Uhr Di 13.00 - 14.00 Uhr Carsten Feldmann -58 Mo + Mi + Fr 11.00 – 12.00 Uhr Di + Mi + Do 16.00 – 17.00 Uhr Detlef Frittgen -50 Mo + Mi + Fr 10.00 – 11.00 Uhr Di + Do 13.00 – 14.00 Uhr Martin Grebe -54 Mo + Mi + Do 16.00 – 16.40 Uhr Steffen Klaas -52 Mo + Mi + Do 10.00 – 11.00 Uhr Di + Do 15.30 – 16.30 Uhr Olga Merkel -53 Mo + Fr 10.00 – 11.00 Uhr Di 15.30 Uhr – 16.30 Uhr Silke Schwarz -59 Di 11.00 – 12.00 Uhr Mo + Mi + Do + Fr 13.00 – 14.00 Uhr Mina Tofik -51 Di + Do + Fr 11.00 – 12.00 Uhr Mo + Mi 15.00 – 16.00 Uhr Özlem Yildiz -57 Mo + Di + Do + Fr 11.00 – 12.00 Uhr Di + Mi 15.00 – 16.00 Uhr Bitte einsenden an: Mieterverein Dortmund und Umgebung e.V. Kampstr. 4, 44137 Dortmund Name, Vorname Geburtsdatum Straße, Nr. PLZ/Wohnort Telefon E-Mail Geworben von: (Name, Mitgliedsnummer) Hiermit erkläre ich meinen Beitritt zum Mieterverein Dortmund und Umgebung e.V., dessen Satzung ich anerkenne. Beitrag je Monat 8,50 Euro, Aufnahmegebühr 25,00 Euro

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