Mieterverein Dortmund - Nr. 70

Mieterforum IV / 2022 7 ::: Politik Schon ein bisschen schief Man muss ja zugeben, dass der Bund sich finanziell ganz schön ins Zeug legt, was die Hilfen für die Bevölkerung wegen der explodierten Energiepreise angeht. 200 Mrd. Euro zusätzlich zu den bereits im früheren Jahresverlauf beschlossenen Hilfen sind kein Pappenstil. Trotzdem monieren Kritiker, dass das ganze Paket eine soziale Schieflage hat. Zum einen profitieren von den Energiepreisbremsen auch Menschen, die es gar nicht nötig haben, und zwar sogar besonders intensiv. Ist ja klar: Wer am meisten Energie verbraucht, wer zum Beispiel einen Swimmingpool beheizt oder eine 300-qm-Villa, der profitiert auch stärker von gedeckelten Preisen. 80% von Jahresverbrauch können 80% von 2.000 oder von 20.000 Kilowattstunden sein. Zum anderen hat es mit dem Sparanreiz so seine Tücken. Denn wer mit sehr wenig Geld auskommen muss, hat längst alles Erdenkliche unternommen, um den persönlichen Verbrauch zu reduzieren. Wer sich bisher im Winter ein 23 Grad warmes Wohnzimmer gönnt, kann ein Viertel der Heizkosten sparen. Wer sich aber schon jetzt aus Kostengründen mit 19 Grad zufriedengeben muss, bei dem sind die Möglichkeiten ausgereizt. Und auch einen energiesparenden neuen Wäschetrockner oder Kühlschrank muss man erstmal kaufen können. Wer aber den Verbrauch nicht reduzieren kann, zahlt für 20% davon die extrem hohen Marktpreise. Da geht einiges an den am meisten Bedürftigen vorbei. aha Vermieter:innen die Entlastung an ihre Mieter:innen weitergeben müssen, und zwar nicht erst mit der nächsten Heizkostenabrechnung, sondern schon bei den monatlichen Abschlägen. Die Dezemberhilfe Alle diese Hilfen greifen erst ab März 2023, wenn dauch rückwirkend zum 1. Januar. Aber der Winter ist dann schon fast vorbei. Deshalb hat der Bundestag schon im November eine Soforthilfe beschlossen, auch „Dezemberhilfe“ genannt. Sie besteht darin, dass der Staat für Dezember 2022 die Gas- und Fernwärmekosten übernimmt. Als Referenz wurde der Abschlag im September gewählt. Zwischenzeitliche Anpassungen wurden nicht berücksichtigt. Für die Kund:innen sah das so aus, dass die Energieversorger:innen den Abschlag für den Monat Dezember gar nicht erst eingezogen haben. Wenn man Direktkund:in bei einem Energieunternehmen ist, also zum Beispiel Bewohner:innen von Einfamilienhäusern oder Mieter:innen mit Etagenheizung, dann wirkte sich das sofort aus. Im Dezember wurde Geld gespart. In Mehrfamilienhäusern mit Zentralheizung ist die Sache komplizierter. Hier verpflichtet das vom Bundestag beschlossene Gesetz die Vermieter:innen lediglich, die Dezemberhilfe bei der nächsten Heizkostenabrechnung zu berücksichtigen. Für Mieter:innen heißt das konkret: Sie sehen erstmal kein Geld. Eine Ausnahme besteht nur, wenn seit dem 19. Februar 2022 bereits die Heizkostenvorauszahlungen erhöht wurden oder der Mietvertrag abgeschlossen wurde. In diesem Fall darf die Erhöhung der Vorauszahlungen einmalig einbehalten, bzw. dürfen die Vorauszahlungen um 25% gekürzt werden. Der Deutsche Mieterbund (DMB) hat hier bereits eine Gerechtigkeitslücke angemahnt. Klar ist aber auch: Für Mieter:innen in Mehrfamilienhäusern mit Zentralheizung kommt der „Heizkostenschock“ ja mit Verspätung – nämlich mit der Heizkostenabrechnung für das Jahr 2022. Dann wird für viele eine hohe Nachforderung fällig. Wenn in dieser Abrechnung nun die Dezemberhilfe berücksichtigt werden muss, fällt die Nachforderung geringer aus – eigentlich sinnig. Wohngeld + Zum 1. Januar 2023 wird das Wohngeld deutlich erhöht und der Kreis der Anspruchsberechtigten verdreifacht. Mit ins Wohngeld aufgenommen wird dann auch eine Heizkosten- und eine Klimakomponente. Deshalb heißt es dann „Wohngeld+“. Auf Seite 11 erfahren Sie alles, was Sie wissen müssen. Bürgergeld Und noch eine Neuerung zum Jahreswechsel: Ab dem 1. Januar 2023 wird das Arbeitslosengeld II – im Volksmund Hartz IV genannt – abgelöst durch das neue Bürgergeld. Der Regelsatz wird dabei von 449 auf 502 € erhöht, ein paar Sanktionen abgeschafft und das Schonvermögen erhöht. Außerdem können neue Antragsteller:innen jetzt bis zu zwei Jahren in einer unangemessen teuren Wohnung bleiben, bevor sie eine Kostensenkungsaufforderung bekommen. Ansonsten haben sich die Regeln für die Kosten der Unterkunft aber nicht verändert. Der große Unterschied zur 2004 abgeschafften Arbeitslosenhilfe bleibt aber, dass der Regelsatz keinen Bezug zum früheren Einkommen hat. Ob deshalb eine neuer Name gerechtfertigt ist, wird von Kritikern bezweifelt. Wichtig besonders für Menschen, die normalerweise kein Bürgergeld beziehen: In dem Monat, in dem eine Heizkostenabrechnung mit einer hohen Nachforderung kommt, kann eine Berechtigung zum Bürgergeld-Bezug bestehen. Darüber hatten wir bereits in der letzten Ausgabe berichtet. Das Wichtigste noch einmal auf Seite 10.

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