Mieterforum I/2022 12 ::: Titel Foto: Passivhaus Institut Welche Perspektiven sehen Sie für die zahlreichen Siedlungen der Nachkriegszeit im Ruhrgebiet? Hier sind, je nach Baualter, häufig die gleichen Gebäudetypen zu finden. Die Nachkriegsgebäude lassen sich vergleichsweise leicht in hoch energieeffiziente Gebäude verwandeln. Sie haben klare Grundrisse und Denkmalschutz spielt (meist) keine Rolle. Hier lohnt sich eine sorgfältige Planung der Sanierung, die sich dann für viele ähnliche Gebäude genauso anwenden lässt. Auf diese Weise können Zeit und Kosten gespart werden. Ein Gewinn für das Klima und die Bewohner, die von den geringen Energiekosten sowie dem deutlich erhöhten Wohnkomfort profitieren. Herr Steiger, klimaneutraler Neubau klingt gut. Wie sieht die gesamte Energiebilanz aus, wenn dafür bestehende Gebäude abgerissen werden? Das lässt sich pauschal nicht beantworten. Das hängt von der Bauweise des Neubaus ab - derzeit wird viel diskutiert, ob Holzbauten durch den gebundenen Kohlenstoff eine relevante Kohlenstoffsenke im Klimasystem darstellen können - und von seinem Energiestandard. Gebäude benötigen für ihren Bau einiges an Energie, unter anderem für die Herstellung der Baumaterialien. Der deutlich größere Energiebedarf fällt jedoch während der jahrzehntelangen Nutzungsphase eines Gebäudes an. Erst beim hoch effizienten Passivhaus-Standard ist der Energieverbrauch während des langen Lebenszyklus so gering, dass er mit dem Energiebedarf für den Bau des Hauses ungefähr auf einer Höhe liegt. Die Faustregel heißt hier: Besser abreißen und hocheffizient neu bauen als nichts zu tun. Gibt es Faustregeln, wann eine Sanierung energetisch günstiger ist als ein Abriss und der Neubau eines Wohngebäudes? Eine Sanierung ist dann energetisch günstiger, wenn auf einen zukunftsweisenden Effizienzstandard wie den EnerPHit-Standard saniert wird und dem ansonsten ein weniger effizienter Neubau gegenübergestellt würde. Die Faustregel heißt hier also: Besser effizient sanieren, als minderwertig neu bauen. Sie erforschen europaweit Sanierungsprojekte. Gibt es gute Beispiele für die Modernisierung ganzer Siedlungen, die auch das Thema Mieterschutz und Bezahlbarkeit einbezogen haben? Die Erfahrungen mit der Sanierung von kompletten Siedlungen werden zu einem großen Teil gerade gemacht. Ein gutes und bereits abgeschlossenes Beispiel sind die Sanierungsprojekte in Innsbruck im Zuge des EU-Projekts SINFONIA. http://www.sinfonia-smartcities.eu/de/ demo-stadte/innsbruck. Ziel des Projekts ist es, rund 60.000 m² Wohnfläche in Wohngebäuden der 1930 - 1980er Jahren zu sanieren, um deren Energiebedarf um bis zu 80 % zu Klimaneutrales Bauen Passivhausstandard auch im Bestand erreichbar Jan Steiger vom Passivhaus Institut im Gespräch mit dem Mieterforum. Interview mit Jan Steiger, Mit-Geschäftsführer des Passivhaus-Instituts, das seit mehr als 25 Jahren unabhängig zur Entwicklung von Baukonzepten, Baukomponenten, Planungswerkzeugen besonders energieeffizienter Gebäude forscht.
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