Mieterverein Dortmund - Nr. 64

Mieterforum II/2021 23 ::: Aktuell unter Wahrung der Abstandsregeln zu ermöglichen. Bund und Länder sollten da- für unbürokratisch zusätzliche finanzielle Mittel zur Verfügung stellen“, forderte die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungs- losenhilfe BAG W Ende Oktober – immer unter den Maßgaben des Abstands und Infektionsschutzes. Obdachlose gehören zu den Hochrisikogruppen. Winternothilfe Verhandlungen mit der Stadt und letzt- endlich ein Ratsbeschluss machten in Dortmund im Oktober dann den Weg frei für ein überregional vielbeachtetes Projekt: In einem Großzelt, aufgestellt von der Stadt am Fuß des Dortmunder U, starteten das Gast-Haus, die Kana Suppenküche, das Team des Dortmunder Wärmebusses und bodo die „Winternothilfe am U“. Wöchentlich 280 ehrenamtliche Helferin- nen und Helfer, die im Vorfeld per Aufruf „geworben“ worden waren, packten morgens Lunchpakete, kochten Kaffee und Tee, gaben ab dem Nachmittag Kuchen, Brötchen, warme Eintöpfe an wohnungs- lose und bedürftige Gäste aus. Im Schnitt zählten die Organisationen rund 500 Besuche täglich. Vereine, Unternehmen und viele andere Dortmunder spendeten Kleidung und Schlafsäcke, Lebensmittel und Geld. Die Diakonie gab den „Brü- ckentreff“, der unter Coronabedingungen zu klein geworden war, auf und ging im Wichernhaus am Nordmarkt mit einem größeren Tagesaufenthalt mit Beratung und Verpflegung an den Start. Im Februar dann der Kälteeinbruch: Ein Wintersturm sorgte fast zwei Wochen lang für Schneemassen und klirrende Kälte. Die Dortmunder Stadtverwaltung fuhr ihre Infrastruktur hoch, öffnete eine Geflüch- tetenunterkunft zur Notunterbringung und gab einen Teil des Hauptbahnhofs zur Übernachtung frei, um Kältetote zu vermeiden. Doch Lücken bleiben, weil sie oft systemisch sind: Es gibt Obdachlose, für die die bestehenden Angebote nicht passen oder die die Unterkünfte meiden, aus Angst vor Stress in Mehrbettzimmern, vor komplizierten und fordernden büro- kratischen Prozessen, weil Zugänge nicht immer funktionieren – oder die Angst vor der Ansteckung zu groß ist. Schon zu normalen Zeiten ist Sam- melunterbringung problematisch, in der Pandemie werden Unterkünfte zu Infektionsherden. Seit März 2020 hat es dutzende Ausbrüche in Unterkünften für Wohnungslose, Geflüchtete oder auch Saisonarbeiter gegeben. Mehrere Men- schen starben, zuletzt erst vor einigen Wochen in Münster. Dort hatten sich über 40 Wohnungslose und Beschäftigte in einer Gemeinschaftsunterkunft mit Covid-19 angesteckt. Schon seit Beginn der Pandemie hatten die BAG W und viele Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe gefordert, Wohnungslose mindestens übergangsweise in leerstehenden Ho- telzimmern unterzubringen. Der Ge- danke dahinter: Obdachlose Menschen bekommen einen Rückzugsort, der im Winter so dringend nötig ist und an dem sie sich erholen und vor Ansteckungen schützen können. Hotels haben trotz des Lockdowns Einnahmen. In einigen Städten wurde und wird dies – mal mit kommunaler Finanzierung, mal aus Stiftungs- oder Spendengeldern – umge- setzt. In Dortmund führten Gast-Haus, Wärmebus und bodo bis Ende März ein Modellprojekt zur Hotelunterbringung. Die bundesweite Online-Petition „Öffnet die Hotels“ von 13 Straßenzeitungen und -magazinen fand mehr als 120.000 Unterstützerinnen und Unterstützer. Der Winter ist vorbei, Corona nicht Der erste Corona-Winter ist vorbei. Das Großzelt ist wieder abgebaut, Gast-Haus und Wärmebus führen die „Corona-Hilfe“ jetzt im Veranstaltungszentrum FZW wei- ter. Corona ist noch nicht vorbei und hat weiterhin Einfluss auf Menschen auf der Straße. Als im April mit dem neuen Infekti- onsschutzgesetz auch Ausgangsbeschrän- kungen zum Instrument der Pandemie- bekämpfung wurden, war die Sorge groß, dass Obdachlose, die sich daran nicht halten können, von Sanktionen betroffen sein könnten. Der positive Ausgang: Woh- nungslosigkeit ist im Gesetz zumindest mittelbar als gewichtiger Grund bedacht. Die Stadt Dortmund teilte mit, Menschen ohne festen Wohnsitz nicht zu belangen und „mit Fingerspitzengefühl und pragma- tisch“ vorgehen zu wollen. (age)

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