Mieterverein Dortmund - Nr. 64
Mieterforum II/2021 20 Foto: age ::: Titel Als 1969 die ersten MieterInnen einzo- gen, war das Hochhaus in der Kielstraße 26 in der Nordstadt ein moderner Bau, später stand es als Mahnmal für die Fol- gen wilder Immobilienspekulation. Nach fast 20 Jahren Leerstand und jahrelanger Bemühungen der Stadt sind Anfang des Jahres erst die Gerüstbauer, dann die Sanierer, dann riesige Kräne angerückt. Ende des Jahres wird das „Horrorhaus“ Geschichte sein. Und ein Neuanfang. Auf der einen Seite des Hauses stehen noch die steinerne Tischtennisplatte und die Bank unter dem dichten Ahorn, der im Sommer Schatten spendet. Als das Hoch- haus noch bewohnt war, war hier tags- über sicher eine Menge los, haben Kinder gespielt, Eltern sich ausgeruht. Das Haus ist schon lange nicht mehr bewohnt; und nach fast 20 Jahren Leerstand wird es jetzt abgerissen. Ein Blick zurück: Im Herbst 1969 ziehen die ersten Menschen in das Hochhaus an der Kielstraße 26 ein. 102 moderne Wohnungen auf 16, 17 und 18 Etagen, öffentlich gefördert und preisgebunden für Menschen mit geringem Einkommen. Eigentümerin ist das gemeinnützige Un- ternehmen VEBA Westfälische Wohnstät- ten, im Ruhrgebiet im Werkswohnungs- bau tätig. Der Zwilling auf der anderen Straßenseite schräg gegenüber ist bis heute im Eigentum der DOGEWO21. Mitten in der Wohnungskrise der frühen 1990er die Schlagzeile: „Wohnturm an Kielstraße wird verkauft“, stand in der Westfälischen Rundschau. Zu dieser Zeit waren in Dortmund 6.000 Menschen bei der Stadt als wohnungssuchend gemel- det. Der Mieterverein warnte vor einem „regelrechten Absturz“, die WR fürchtete: „Dadurch drohen […] die Mieter von 102 Wohnungen zum Spielball von Speku- lanten zu werden.“ Die VEBA verkaufte trotzdem und setzte einen Spekulations- prozess in Gang, der fast mustergültig ist. 1993 kaufte ein Ehepaar das Hochhaus, zahlte die öffentlichen Fördermittel zurück, und verkaufte es innerhalb weniger Wochen an die Burbaum, Bieg & Nikolov GbR aus Heilbronn weiter. Das Haus wird, zumindest wirtschaftlich, in seine Einzel- teile zerlegt, jede Wohnung wird für sich auf den Markt geworfen, inklusive den noch dort wohnenden Menschen und den noch laufenden Sozialbindungen. Große Wohnungen sollen 161.000 DM kosten, die kleineren 90.000 DM, ein Gesamt- preis von 11,4 Millionen DM. Doch soviel sind die Wohnungen gar nicht wert. Der langjährige Sprecher des Mietervereins Helmut Lierhaus schrieb an die VEBA: „Ihre Vorstellung von freier Marktwirtschaft, in der Sie jedes Ihrer Häuser verkaufen kön- nen, wann und an wen Sie wollen, sind angesichts der 102 Haushalte, die alles andere gebrauchen können als ein paar Glücksritter, […], gescheitert.“ Doch über den Wunsch nach einer Im- mobilie als lukrativer Kapitalanlage fielen nötige Investitionen hinten über und Reparaturen einfach aus. Das Haus geriet zunehmend in Schieflage, Eigentümer zahlten die Kredite, die Energieabschläge und die Grundsteuern nicht mehr. Immer mehr Menschen zogen aus. 2001 stieg die Hausverwaltung aus, 2002 stoppte DEW21 die Energielieferungen. Im No vember räumte die Stadt das Gebäude und nahm es vom Versorgungsnetz. Seitdem ist es ein Symbol für die Folgen überhitzter Spekulation. Abriss „Horrorhaus“ Eine Landmarke verschwindet
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